Positionierungen | Einstiegsmethoden Teil 4
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Positionierungen im Raum sind super, weil sie so ziemlich alles mitbringen, was für eine gute Einstiegsmethode spricht!
Unter Positionierungen im Raum verstehe ich die Einladung an eine Gruppe, zu einer bestimmten Frage verschieden mögliche Ort im Raum einzunehmen, die ich vorher benannt oder markiert habe. Zum Einstieg eignet sich diese Methode deshalb so hervorragend, da ich die Fragen zunächst sehr alltagsbezogen und später dann bereits zu einer ersten thematischen Hinführung formulieren kann. Damit unterstütze ich zum zweiten, dass die Teilnehmenden leicht in Kontakt und in Beziehung kommen, ohne sich zu sehr präsentieren zu müssen. Sie gewinnen Sicherheit und Orientierung, da bereits ohne Worte mögliche Verknüpfungen, gemeinsame Interessen oder Bezüge sichtbar werden.
Teilnehmende in Kontakt bringen
Aber jetzt der Reihe nach, denn es gibt ja sehr unterschiedliche Möglichkeiten, den Raum für Positionierungen zu nutzen, z.B. als Abbild der Region, von wo aus die Teilnehmenden angereist sind – also quasi wie eine Landkarte, auf der sich alle positionieren können. Dabei kann ich dem Raum konkrete Bezeichnungen geben wie Nord- und Süddeutschland oder ich lasse es offener und stelle die Aufgabe, sich nach Entfernung und Himmelsrichtung in Bezug zum Mittelpunkt als heutigem Tagungsort aufzustellen. Je offener ich die Frage gestalte, desto mehr müssen sich die Teilnehmenden austauschen, um die „richtige“ Position zu finden, die sich ja immer in Relation zu den anderen ergibt. So komplex sollte die allererste Frage allerdings nicht sein, um niemanden zu überfordern.
Den Einstieg möglichst einfach gestalten
Als Einstiegsfrage eignet sich daher sehr gut die 4-Ecken-Methode. Das bedeutet, ich weise den vier Ecken im Raum jeweils einen konkreten Status zu. Um bei dem eben genannten Beispiel zu bleiben: Nord-, Süd-, West- und Ostdeutschland. Sobald sich die Menschen in den Ecken gefunden haben, fangen diese meist automatisch und ohne Aufforderung an, sich über Details auszutauschen. Einige werden sich nicht entscheiden können, welche für sie die passendere Ecke ist – was nicht schlimm ist: sie bekommen ihre (meist erhoffte) Bühne und alle können mit überlegen, wie das „Problem“ gelöst werden könnte. Genauso ließe sich auch nach der Anreisedauer (beispielsweise: unter 15min, unter 1 Stunde, unter 2 Stunden, über 2 Stunden) fragen oder auch nach dem Verkehrsmittel oder der Uhrzeit, wann der Wecker geklingelt hat etc.
Gemeinsamkeiten entdecken lassen
Die 4-Ecken-Methode ist auch ein sehr geeignetes und einfaches Instrument, um Gemeinsamkeiten, persönliche Vorlieben oder Hobbies untereinander zu entdecken. Man muss dabei nicht sklavisch an der zahl 4 festhalten. Gleichzeitig versuche ich es zu vermeiden, dass es zu Polarisierungen kommt. Statt Kaffee- und Teetrinker in verschiedene Ecken zu schicken, würde ich eher humorvoll danach fragen, wer Zucker und/oder Milch in seinen Kaffee/Tee nimmt. Ansonsten sind den Fragen keine Grenzen gesetzt: Musikinstrumente, Lieblingsfarbe, Schuhgröße oder auch kulinarische Vorlieben – hier ist alles möglich und sinnvoll, was die Menschen ganz niedrigschwellig einander näher kommen lässt ohne zu viel preisgeben zu müssen.
Positionierung auf einer Linie
Weitere Möglichkeiten ergeben sich mit der Positionierung auf einer Linie. Auch hier kann ich wunderbar nach dem Anfahrtsweg fragen. Gleichzeitig kann ich mit den Skalierungsfragen bereits eine Stufe weiter gehen und beispielsweise nach der Betriebszugehörigkeit fragen. Besonders bei diesen Fragen, die die Zusammensetzung der Gruppe in Bezug zu ihrer Arbeit oder ihrem Thema betreffen, zeigt sich das große Potential von Positionierungen: Sie bilden Wirklichkeit ab. Eine Wirklichkeit, die sich sonst nie so offensichtlich zeigen würde oder rein sprachlich kaum auszudrücken ist. Bei besonderen Konstellationen kann ich dann fragen, ob das Bild die Gruppe überrascht. Vorab mussten sich die Teilnehmenden aber intensiv untereinander austauschen, um die für sie passende Position zu finden. Bei der Frage nach der Betriebszughörigkeit werden neben Jahreszahlen dann häufig auch (wichtige) Ereignisse genannt, die markant für die Entwicklungen und Veränderungen der letzten Jahre waren.
Hinführung zum Thema
Im Modus der Skalierung lassen sich zu einem späteren Zeitpunkt bereits Fragen stellen, die das Thema oder den Anlass der Zusammenkunft betreffen oder die Erwartungen an den Tag ansprechen. „Wenn Sie heute Abend auf den Tag zurück schauen werden. [Pause] Was vermuten Sie, wo Sie sich dann wohl positionieren werden, wenn das eine Ende der Skala „vollste Zufriedenheit“ symbolisiert und das andere Ende das Gegenteil?“ Hier lasse ich der Gruppe Zeit, um den richtigen Ort zu finden, denn die Entscheidung erfordert eine enorme Denkleistung über persönliche Ziele, das Thema, die innere Bereitschaft und das Interesse. Und natürlich findet hier auch ein Gruppenprozess statt, da die eigene Position im Verhältnis zu den anderen natürlich bereits auch eine Aussage ist. Hier lohnt es sich die Teilnehmenden zu interviewen, was sie so sicher macht, dass sie an dieser Position stehen (und nicht weiter „unten“), bzw. was dazu geführt hat und förderlich war – möglicherweise auch hinderlich. Diese Aspekte können dann auch auf Karten festgehalten werden. Wichtig ist mir dabei, die Selbstverantwortung aller zu fördern, also auch den Eigenbeitrag der Teilnehmenden zu erfragen. Weiterhin lassen sich die erarbeiteten Aussagen im Laufe des Treffens auch als Orientierungs-Marker nutzen, mithilfe derer ich rückfragen kann, ob die Gruppe noch „auf dem richtigen Weg“ ist. Mit anderen Worten: Ich erhalten wichtige Informationen, um den Prozess so zu steuern, dass die Teilnehmenden ihre Ziele möglichst gut erreichen können.
Einfaches Tool – große Wirkung
Alle Varianten von Positionierungen lassen sich miteinander kombinieren und durch unterschiedlichste Fragen zu einem unerschöpflichen Methodenpool ausbauen, der besonders in Anfangssituationen von Workshops, Trainings oder Supervisionen hilfreich ist. Neben der Selbstreflexion und der Interaktion erzeugen Positionierungen Abbilder von Wirklichkeit, die sprachlich in dieser Dichte niemals erfasst werden könnten. Dadurch liefern sie plastisches „Anschauungsmaterial“ für weiterführende Deutungen und Handlungsoptionen.
Teil 1: Einstiegsmethoden – warum und wieso?