Zirkuläre Fragen
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Ich liebe zirkuläre Fragen. Sie befreien aus dem Tunnelblick. Sie sind also wie ein Ablegen von Scheuklappen. Zirkuläre Fragen können die Beschreibung von Wirklichkeit erweitern – indem sie sie dekonstruieren!
Aber was genau sind „zirkuläre Fragen“?
Am einfachsten lassen sie sich als Gegensatz zu „direkten Fragen“ beschreiben. Bei Paaren z.B. könnte ich jede Person direkt fragen, was sie am anderen schätzt. So würde ich einige Informationen erhalten.
Einen ganz anderen Effekt erzeugt dagegen eine zirkuläre Frage wie: „Was vermutest Du, was der andere an Dir schätzt oder die andere sich von Dir wünscht?“ Plötzlich hätten die Antworten einen ganz anderen, nämlich hypothetischen Charakter, der sich auch aus der Beziehung zueinander speist.
Eine besondere Form von systemischen Fragen
Die Besonderheit zirkulärer Fragen liegt in dem Angebot, eine Außenperspektive einzunehmen. So besteht die Möglichkeit, den eigenen Standpunkt für einen Moment aufzugeben und aus einer anderen Perspektive auf das System zu blicken (und es überhaupt als solches zu entdecken). Zirkuläre Fragen helfen, sich von der subjektiven Deutung von Wirklichkeit zu lösen, einen Bogen zu schlagen und den größeren Kontext wahrzunehmen. Zirkuläre Fragen sind ein nützliches Instrument, implizite Annahmen zu erkennen, zu überprüfen und zu de- bzw. rekonstruieren.
Eine hilfreiche Orientierung zu den vielfältig möglichen Frage-Kombinationen bietet eine Übersicht in Anlehnung an Schlippe/Schweizer, die vier Perspektiven auflisten, aus denen Fragen aus verschiedenen Kategorien gestellt werden können:
Vier Frage-Perspektiven
- Beziehungsmuster/„Tratschen in Anwesenheit“: Siehe Frage oben
- Außenperspektive: Wie sehen andere/Außenstehende die Situation
- Möglichkeitskonstruktionen: Wunderfrage, „angenommen…“
- Andere Zeiten, andere Orte: „Wie deutest Du wohl Deine heutige Entscheidung in 20 Jahren?“
Sieben Fragekategorien
- Informationsfragen: Wer macht was, seit wann mit wem in welchem Kontext?
- Frage nach Unterschieden: „Worin unterscheidet sich…?“
- Skalierungsfragen: „Auf einer Skala von 1-10: Wie berwerten Sie …?“
- Konkretisierende Fragen: „Was genau meinen Sie mit…?“
- Lösungsorientierte und ressourcenorientierte Fragen: „Was macht Sie sicher, dass Sie … schaffen werden?“
- Frage nach der „Inneren Landkarte“: „Welche Bedeutung hat… für Sie?“
- Begründungsfragen: „Wozu dient es, dass …?“
Fazit
Zirkuläre Fragen machen aus Beteiligten Beobachter*innen. Sie helfen, die kommunikativ erzeugte Konstruktion von Wirklichkeit als Beziehungsgeschehen zu deuten: Das scheinbar eindeutig Feststehende Unveränderliche wird nun umfassender (also systemischer) als Prozess und Muster verstanden. Zirkuläre Fragen machen aus Beteiligten aber auch Akteure, die vermeintliche Probleme durch Kommunikation und Interaktion verflüssigen und in neue, funktionale Muster weben können.
Mein Arbeitsblatt zu den Fragen kannst Du Dir kostenlos als PDF herunter laden.