4 Ohren Modell (Schulz v. Thun)

4 Ohren Modell (Schulz v. Thun)

Es gibt bereits zahlreiche Erläuterungen zum 4-Ohren-Modell bzw. 4-Seiten-Modell oder auch Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun – eben weil das Modell auf so einfache und eindrückliche Weise die Komplexität von Kommunikation veranschaulicht. Der Aspekt, der mich am meisten an dem Modell fasziniert (und diese Zeilen schreiben lässt, ist das Paradoxon, dass sich Komplexität visuell einfach darstellen lässt, ohne dabei die Komplexität aufzulösen! Ich möchte das Modell hier kurz erklären:

Was versteht man unter dem „4-Ohren-Modell“?

Also gut, gehen wir zurück auf Los und schauen uns das Modell einmal an:

Watzlawick: Inhalts- und Beziehungsaspekt einer Nachricht

Zunächst einmal wird deutlich, dass die Nachricht, bzw. der Inhalt einer Nachricht nichts Absolutes ist, das an und für sich gilt. Vielmehr steht eine Nachricht immer in Beziehung zu Senderin und Empfänger. Nachrichten sind folglich relativ. Mit anderen Worten: Ihr Inhalt steht immer in Bezug zu den Menschen, die sie aussprechen oder hören. Paul Watzlawick hat deshalb neben dem Inhaltsaspekt einer Nachricht auch deren Beziehungsaspekt betont, der stets mitläuft.

Als Zwischenergebnis können wir also festhalten, dass in einer Nachricht nicht bloß eine Sachinformation übermittelt wird, sondern auch eine Information, die sich aus der Bezogenheit von Sender und Empfängerin ergibt.

Und da diese Beziehung ja nicht bloß eine einfach gegebene ist (sondern von den Personen, die in Beziehung stehen, aktiv geprägt wird), zeigt sich in der Nachricht nicht nur eine Information über die Beziehung, sondern möglicherweise auch eine Information über die Sprecherin selbst. Und darüber hinaus: auch eine Information über die Intention der gesprochenen Nachricht, die beim Empfänger ausgelöst werden soll. Es ergeben sich also neben der Sachebene einer Nachricht drei weitere Ebenen, die Schulz von Thun in seinem Modell als Selbstkundgabe, Beziehungsebene und Appellebene bezeichnet. Jede Nachricht hat also (mindestens) vier Seiten. Und diese Seiten sind Teil eines dynamischen Kommunikationssystems zwischen den agierenden Personen.

Schulz von Thun: 4 Seiten einer Nachricht

Das Beispiel, das Schulz von Thun in seinem Buch „Miteinander reden“ gibt, ist die Aussage des Beifahrers zur Frau am Steuer: „Du, da vorne ist grün!“ Ihre Interpretation kann nun sehr unterschiedlich ausfallen:

Vier Ohren Modell nach Schulz von Thun (Miteinander reden)

  1. Sachebene: „Die Ampel ist grün“
  2. Appellebene: „Gib Gas!“
  3. Beziehungsebene: „Du brauchst meine Hilfestellung“
  4. Selbstkundgabe: „Ich habe es eilig“

Was heißt das jetzt im Klartext? Jede Nachricht beinhaltet nicht bloß eine Sachinformation. Nachrichten spiegeln zudem auch die eventuell komplexe Bezogenheit der Agierenden wieder. Und das wiederum bedeutet, dass Nachrichten ohne die Beachtung des immer auch bestehenden Beziehungssystems leicht missverstanden werden.

Ein Beispiel: In einer klaren Hierarchie (eindeutige Bezogenheit) weiß die Befehlsempfängerin eine Aussage ohne Schwierigkeiten einzuordnen (Appellebene). In einer partnerschaftlichen Beziehung dagegen zeigt sich eine Uneindeutigkeit. Nun wird eine weitere Grundannahme menschlicher Kommunikation offensichtlich und nachvollziehbar: „Der Empfänger bestimmt die Botschaft!“

„Der Empfänger bestimmt die Botschaft!“

Missverständnisse in der Kommunikation mithilfe des 4-Seiten-Modells auflösen

Bei einem Paar dürfte die Aussage: „Der Mülleimer ist voll“ mehr auslösen als die reine Sachinformation. Ich höre also nicht nur mit dem „Sachohr“, sondern eventuell auch mit meinem „Appell-Ohr“, „Selbstkundgabe-Ohr“ oder „Beziehungs-Ohr“. Als Hörender ist mir die Intention der Senderin nicht eindeutig bekannt. Intuitiv und in der Regel versuche ich sie nach meinen bisherigen Erfahrungen einzuordnen und zu deuten. Meistens gelingt das auch ganz gut – bis zu dem Punkt, an dem ich merke, dass meine Deutung eben nur meine Deutung ist.

Kommunikation und Erwartungen. Missverständnisse auflösen

Und auch die Senderin darf zunächst darauf vertrauen, dass die Intention ihrer Aussage die erwartete Reaktion beim Hörenden auslöst: Dass er mit dem Ohr hört, das angesprochen werden soll. Aber 100% sicher kann sie sich dabei nie sein.

Systemtheorie und Kommunikation: Erwartungs-Erwartungen

Systemtheoretisch basiert Kommunikation auf Erwartungen.

Wir bilden Erwartungsmuster und passen diese kontinuierlich an. Sie helfen uns, erwartbare Erwartungen zu generieren, um nicht bereits an der Überkomplexität eines alltäglichen Dialogs zu verzweifeln. Als „Erwartungs-Erwartungen“ können sie andererseits die Kommunikation aber auch verkomplizieren, da wir anfangen zu denken, was der andere denken könnte, was ich denke usw.

Gelingende Kommunikation durch Supervision und systemisches Coaching

Ein anschauliches Modell wie das 4-Ohren-Modell kann helfen, die durchaus hilfreiche und im Alltag auch ab und zu notwendige Komplexitätsreduktion zwischen Menschen wieder behutsam zu dekonstruieren. Nicht indem nun einfache Lösungen präsentiert werden, sondern indem auf einfache Weise die Komplexität von Kommunikation veranschaulicht wird. Das kann helfen, ein neues Verständnis – im Sinne von: ich bemühe mich, Deine Deutung meiner Aussage zu verstehen – aufzubauen.

Das Modell von Schulz von Thun macht nachvollziehbar, dass Kommunikation nun mal nicht so leicht und nie eindeutig ist. Das schöne daran ist die Erkenntnis, dass das „Abenteuer Kommunikation“ um so lebendiger und faszinierender wird, je mehr sich Menschen gegenseitig Freiheit und Deutungshoheit zugestehen.

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Vier Ohren Modell Schulz v. Thun einfach erklärt

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